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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.11.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 69/00
Rechtsgebiete: WEG, BRAGO


Vorschriften:

WEG § 47
BRAGO § 6
Eine Erhöhungsgebühr für mehrere Auftraggeber fällt nicht an, wenn der Verwalter in Verfahrensstandschaft für die Wohnungseigentümer Wohngeldansprüche einklagt.
BayObLG Beschluss

LG Aschaffenburg 1 T 40/98; AG Aschaffenburg 4 UR II 15/98

2Z BR 69/00

02.11.00

Der 2. Zivilsenat. des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Werdich am 2. November 2000 in der Wohnungseigentumssache wegen Wohngeldzahlung, hier: Kostenentscheidung nach Antragsrücknahme,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts Aschaffenburg vom 11.5.2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner ist Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage, die von der Antragstellerin verwaltet wird. Die Antragstellerin hat im März 1998 aufgrund Ermächtigung in der Gemeinschaftsordnung als Verfahrensstandschafterin der übrigen Wohnungseigentümer beim Wohnungseigentumsgericht beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung von DM 1397,50 (Wohngeld und Heizungskosten für November 1997 mit März 1998) und von DM 22,50 für drei Rücklastschriften sowie zur Erteilung einer Bankeinzugsermächtigung an die Antragstellerin zu verpflichten. Der Antragsgegner hat vor allem eingewendet, der Wirtschaftsplan für 1997 entspreche nicht den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen; er gelte nicht für Wohngeldforderungen im Jahr 1998. Überdies sei der Beschluss über den Wirtschaftsplan angefochten.

Mit Beschluss vom 9.10.1998 hat das Amtsgericht den Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung und zur Erteilung einer Einzugsermächtigung an die Antragstellerin verpflichtet.

Dagegen hat der Antragsgegner sofortige Beschwerdeeingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 19.1.1999 teilte der Geschäftsführer der Antragstellerin mit, dass der Antragsgegner in der Zwischenzeit 2500 DM für die Monate November 1997 bis August 1998 überwiesen hatte. Daraufhin nahm die Antragstellerin ihre Anträge vom März 1998 zurück.

Am 11.5.2000 hat das Landgericht beschlossen, dem Antragsgegner die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners, mit der er erreichen will, dass die Gerichtskosten des ersten und zweiten Rechtszugs der Antragstellerin auferlegt werden und von der Erstattung außergerichtlicher Kosten abgesehen wird.

II.

Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist zulässig (§ 20a Abs. 2, § 27 Abs. 2 FGG), in der Sache aber ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Aus den in einem Parallelverfahren zwischen denselben Beteiligten vorgelegten Urkunden ergebe sich, dass der Antragsgegner spätestens ab 30.6.1998 aufgrund eines wirksamen Eigentümerbeschlusses verpflichtet gewesen sei, die von der Antragstellerin mit Antragsschrift vom März 1998 verlangten Geldbeträge zu zahlen. Dennoch habe der Antragsgegner das Verfahren weitergeführt und gegen den verurteilenden Beschluss des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt. Erst im weiteren Verlauf habe er die geschuldeten Vorauszahlungen für 1997/1998 geleistet, was dann zur Antragsrücknahme am 19.1.1999 geführt habe. In einem solchen Fall entspreche es billigem Ermessen, dem Antragsgegner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Ein Anlaß für die Rücknahme des Antrags sei erst durch die Bezahlung der eingeklagten Beträge entstanden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Da die Entscheidung des Amtsgerichts einschließlich der Kostenentscheidung durch die Zurücknahme des Antrags wirkungslos geworden ist (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog), hatte das Landgericht über die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des ganzen Verfahrens zu entscheiden. Die Kostenentscheidung ist nach § 47 WEG eine Ermessensentscheidung, die das Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler hin überprüfen kann (BayObLGZ 1997, 148/151).

b) Zwar hat nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich derjenige, der seinen Antrag oder sein Rechtsmittel zurücknimmt, die Gerichtskosten zu tragen (vgl. z.B. BayObLG WE 1997, 238 M.W.N.; NZM 1998, 977); hier liegt aber einer der Fälle vor, in denen eine Ausnahme davon gemacht werden kann (vgl. z.B. BayObLG WUM 1996, 506; 1994, 160; BayObLG WE 1998, 78; 1997, 238), wie das Landgericht im Ergebnis zu Recht befunden hat. Denn es ist offenkundig, dass der Antragsgegner zumindest zur Zeit der Entscheidung des Amtsgerichts am 9.10.1998 verpflichtet war, die von der Antragstellerin geltend gemachten Beträge zu zahlen und eine Einzugsermächtigung zu erteilen.

c) Die Verpflichtung, Vorschüsse auf das Wohngeld zu leisten, setzt grundsätzlich einen Eigentümerbeschluss über den Gesamtwirtschaftplan und die Einzelwirtschaftspläne für die einzelnen Wohneinheiten voraus (§ 28 Abs. 2 WEG). Hier enthält aber § 13 Nr. 9 Satz 2 GO die Regelung, dass die Jahresabrechnung als Wirtschaftsplan für das darauffolgende Jahr gilt. Das bedeutet, dass der Antragsgegner zur Leistung von Vorschüssen auch dann verpflichtet war, wenn der von der Antragstellerin aufgestellte Wirtschaftsplan nicht den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen entsprach oder der Eigentümerbeschluss über den Wirtschaftsplan angefochten worden war. Im übrigen hat das Landgericht unwidersprochen festgestellt, dass am 30.6.1998 ein Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung für 1997 gefaßt wurde und der Wirtschaftsplan für 1998 genehmigt wurde und dass sich daraus Zahlungspflichten des Antragsgegners im geltend gemachten Umfang ergaben.

Die Rüge des Antragsgegners, das Landgericht habe die, Unterlagen und Kenntnisse aus dem Parallelverfahren in diesem Verfahren nicht verwerten dürfen, ist unbegründet; denn das Gericht darf gerichtskundige Tatsachen verwerten; in Verfahren, in denen wie hier der Amtsermittlungsgrundsatz herrscht, muß es dies tun. Eines Hinweises hierauf unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs bedurfte es nicht, da es sich in beiden Verfahren um dieselben Beteiligten handelt.

Die Verpflichtung zur Erteilung einer Einzugsermächtigung an den Verwalter ergibt sich unmittelbar aus § 13 Nr. 4 Abs. 3 Satz 2 GO. Die Fälligkeit der Vorschüsse auf Wohngeld und Heizkosten ist in § 13 Nr. 7 GO geregelt, so dass der Antragsgegner ohne Mahnung in Verzug geraten war. Er schuldete deshalb nach § 286 Abs. 1 BGB auch die Kosten für die Rücklastschriften.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin objektiv keinen Anlaß für eine Antragsrücknahme hatte; die angemessene prozessuale Erklärung wäre eine Erledigterklärung gewesen. Offenbar geschah die Rücknahme der Anträge zur Verringerung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 WEG.

3. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Er setzt sich aus den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für den ersten und zweiten Rechtszug zusammen, wobei den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin eine Erhöhung nach Abs. 1 Satz 2 BRAGO nicht zusteht, weil die Antragstellerin als Verfahrensstandschafterin der übrigen Wohnungseigentümer aufgetreten ist (vgl. BGH NJW 1987, 2240 f. m.w.N.; Niedenführ/Schulze WEG 5. Aufl. § 48 Rn. 52 a.E.).

Ende der Entscheidung

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